Marktgerechte Gesundheit

Ja, liebe Krankenkassen, das ist schon eine tolle Geschichte. Da habt Ihr eine Studie gemacht, die zeigt, dass manche Ärzte ein reges Tauschgeschäft betreiben: Überweisungsscheine zu Fachärzten und Kliniken gegen Geldscheine auf Hand und Konto. Empörend! Da lassen sich diese korrupten,  geldgeilen Weißkittel bezahlen, um ihren Patienten den Weg zur Behandlung zu ebnen. Oder noch schlimmer? Es muss gemutmaßt werden, dass Überweisungen dank pekuniärem Anreiz statt zum kompetentesten Spezialisten zum schmierendsten Kurpfuscher erfolgt. Es darf unterstellt werden, dass wohl sogar Überweisungen zu Behandlungen erfolgen, die gar nicht nötig sind. Der Erste sagt das Knie ist hin, der Zweite baut das Ersatz-Scharnier ein. Der Zweite beteiligt dafür den Ersten am Gewinn. Eine hausärztlich-orthopädische Win-Win-Situation. Und: der Patient hat immerhin ein nagelneues Stahlknie, statt seines in die Jahre gekommenen Bio-Originals.

Das ist empörend, das ist verboten, das muss öffentlich angeklagt werden! Diese umsatzmaximierenden, gewinnorientierten, Kommerz-Mediziner wagen es prämiengeboosterte Empfehlungen und Indikationen in Form eines Beteiligungshandels zu stellen!

Könnte es nicht vielleicht sein, dass die Zauberlehrlinge mit Skalpell und Spritze die Geister, die man ihnen rief bloß nicht mehr los werden? Man hört vom Gesundheitsminister Bahr jeder Vernunft: „Es ist… eine höhere Vergütung möglich. Aber es muss dargestellt werden, dass es sich rechnet: durch Einsparungen bei Arzneimitteln, beim Krankenhaus… Wir wollen einen solchen Wettbewerb um die bessere Versorgung“. Gesundheitskanzlerin Angela die Erste von der Uckermark selbst versteht die „Gesundheitswirtschaft“ nicht als qualitätsbewusstes Öko-Restaurant sondern so wörtlich als „Leuchtturm in der Wirtschaftskrise“.

Was soll also das anklagende Eifern der Berufsbestürzten ob der interärztlichen Patientenvergütungen? Wer Kommerz sät darf sich nicht wundern, wenn er die Kräfte des Marktes erntet. Umsatz und Gewinn sind der Motor, Prämien und Provisionen sind die Instrumente. Schwester: Skalpell, Tupfer, Nadel, Faden, Überweisung. Die tauschgeschäftigen Mediziner haben nur getan was zum Geschäft jedes Versicherungsvertreters oder Bankers gehört.

Ärzte, Angie, Daniel und die konservativ, geldgeschäftigen Konsorten korrumpieren unsere Gesundheit!?! Zu früh gefreut Ihr Empörlinge! Nicht nur in Rotarierkreisen und Golfclubs stehen die Ampeln für die Kommerzialisierung der Gesundheitssystems auf „Grün“. Die gleichfarbige Exgesundheitsministerin Andrea Fischer titelt mit ihrem Buch „Der Patient als Kunde und Konsument“. Ist ein Patient Kunde, noch schlimmer Konsument, dann impliziert das explizit, dass man Gesundheit kaufen kann. Wo gekauft wird, wird gehandelt. Wo gehandelt wird gibt es Umsatz, Gewinn, Provisionen und die anderen üblichen assozial marktwirtschaftlichen Peanuts.

Also legalize Überweisbescheiß, alles Andere ist geheuchelte Scheinweltromantik. Last Patienten verhökern, Diagnosen wirtschaftlich optimieren und macht Operationen zu Success-Stories der Krankenhauskonzerne. Lügt Euch nix mehr in die Tasche, wenn Euch die Hose schon längst heruntergezogen wurde.

Krankenkassen, erlaubt mir noch die unempörte Nachfrage: wenn Ihr jetzt so tolle Gewinne (heißt: Rücklagen) macht, wie man hört, bekommen Eure Management-Unter- und Obergelddirektoren dann eigentlich Boni? Gibt es bei Euch Prämien, Anerkennungen oder wie auch immer Ihr die geldwerte Belohnung fürs Sparen an Euren Patienten, für die Hinrichtung kleiner Krankenhäuser, für die inadäquate Bezahlung der nicht maximal apparativ durchgreifenden Ärzte nennt? Ach so, Ihr nennt das Kollateralgewinne und die seien – wie Kollateralschäden auch – hinzunehmen, da unvermeidlich. Gespannt warten wir auf Eure nächste Studie.


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