Was reimt sich auf Markus

Mensch Gottschalk, zumindest in Deiner Selbstwahrnehmung bist Du ja eigentlich ein Intellektueller, da hältst Du Dich für den nicht nur warmzerfließlichen Quark schwätzenden, sondern für den harrtgewalztes Blech trommelnden Grass unter den Moderatoren. Stets wolltest Du uns des Eindrucks nicht erwehren, dass Du Dich als gelernter Lehrer nur deswegen als Seichtwasserschwimmer betätigst, um Deinem durchschnittsverblödeten Publikum nicht unpädagogisch Angst vor geistiger Tiefe zu bereiten. Geradeso wie dereinst Freud, der Wiener Psychoexpolrator seine Patienten aufs Chaiselongue legte, hast Du als Freund und kulmbacher Werbeexponator Deine Prominenten auf die Couch gelümmelt.  Und: Alle alle kamen, weil sie wussten, dass Du zur Belohnung nicht ihre Erlebnisse der Vergangenheit aus der Tiefe des Vergessens holst sondern vielmehr ihre Erzeugnisse der Gegenwart aus der Belanglosigkeit in das kaufbereit moderierte Bewusstsein der Zuschauer zerrst. Kein Buch über Feuchtgebiete dass Du nicht durch eine Wette wie: „Ich erkenne das Geschlecht unterschiedlicher Molche am Geschmack ihres Schleims“, keine Maffay-CD die Du nicht durch eine Wette wie: „Wenn ich mit dem Traktor über Jürgen Trittin fahre wird er im Gesicht grün wie Tabaluga“ promoten konntest.

Dann kommt da plötzlich so ein jungdummer Wett-Hüpfer daher, verunglückt telegen an Papas Auto und Du schmeißt telegenialer in kaum besser planbarer Emotion Dich als schon lange nur noch moderat moderierenden Modegockel samt Hunzicklein hin. So stirbt der letzte Samstag-Abend-Dinosaurier in Ehren aus, hast Du Dir gedacht. Wettmer dass Wetten dass das Wetten lasst?! Nach Gottschalk kommt nichts mehr, nicht die verspätete Sportschau, nur noch die Sendepause.

Falsch gedacht, denn das ZDF liebt seine Traditionen: Mainz bleibt Mainz und so will man im Jurassic Lerchenberg unbedingt nochmal ein neues Saurier-Ei ausklonen. Also schickte man die Rettungsflieger in den Einsatz, um frei nach dem Motto „Ich kann Gottschalk“ einen Nachfolger für den gefühlt Unnachfolgbaren zu suchen. Trotz des Ablehnwettbewerbes der üblichen Verdächtigen von Beckerner bis Plasberkeling fanden die Headhunter schließlich den schwiegermutterfesten Neutralreiniger Lanz. Mit dem, so waren sie sich sicher, macht bei Wetten dass das Wetten Spaß.

Da bläst der Eiferschalk zum Haribo und Neidbär Thomas setzt sich freiwillig neben den schamfreien Dumpflästerer Bohlen in den glücklicherweise häufig werbeunterbrochenen Talentschuppen, nur um zu versuchen, das Ende des Gummibärchen-Sofas doch noch aus der Ferne zu besiegeln, indem die Quote des Jung-Sauriers angefressen wird.

Aber falsch gesetzt: Ein fahrendes Sofa mit Dauerbesetzung, an die Wand gesetzte Wettkandidaten und sittsam abgelesene Kärtchentexte sind die spektakulären Errungenschaften der auf neu gealterten Samstags-Abend SitCom. 12 Millionen haben gesehen, wie Bülent Ceylan Lanz an den Hintern fasst, wie Frau van der Vaart sich in den Schritt greift, um trotz Minirock und Stöckelschuhen schambedeckt zu radeln und wie Lagerfeld non-charmant verweigerte mit der rot- statt haute-couturierten Cindy aus Marzahn zu tanzen.

Die Wetten wurden so ausgesucht, dass sie selbst von einem leichenblassen Moderator nicht ablenken konnten. Lanz, der schlipslos aufgeknöpft Gutaussehende, kommentierte perseverierend: „bei den Proben haben wir…“, „bei den Proben konnten wir…“. Während man sich bei Gottschalk früher stets sicher sein konnte, dass der nix geprobt hatte und deshalb vor lauter Überraschung gelegentlich das Eine oder Andere versemmelte, war hier Spontaneität hart einstudiert worden. Wie die in Text und Stimmlage auswendig gelernten Berliner S-Bahn-Ansagen der Kinderwette klangen die Talkereien der Lanzosofagen. So wirkte alles von Talg-Talk über Ohren wackeln, Hundehaare tasten oder Traktor balancieren wie schon einmal gesehen: visuelles Wiederkäuen am laufenden Band.

Dreistestes Stück Jugendkultur war aber Sänger CRO der beim Auftritt neben obligater Pandabärengehörn ein T-Shirt  mit der Aufschrift „Was reimt sich auf Lanz“ trug. Bülent Ceylan hatte schon vorab formuliert, der Lanz mache es gut, „weil der Eier hat“. Ach wie schön ist doch die Deutsche Sprache. Lanz der Mann mit der Lanze? CRO trägt auf dem Rücken seines Phallus-Inplikations-Shirts die unerwartet vögelnde Reim-Antwort „Gans“. Besser gepasst hätte „kann’s“ aber „Lanz kann’s“ hätte dem Publikum vielleicht doch zu viel abverlangt. Ein Substantiv ist als Reim verständlicher und merkbarer als ein apostrophiertes Verb. „Lanz Gans“ ganz verspannz, Affentanz. Bleibt die Frage: Was reimt sich auf Markus? Sparkurs oder Orkus! Das kommt auf die Sichtweise an: in Hinblick auf das Niveau oder auf die Zielrichtung.

Eigentlich wollten wir ja eine Lanze für Dich brechen, Du neuer Unterhaltungsolympionike, gerade zum Trotz, weil der ehemals göttliche Schalk sich Dir so bohloise beleidigt danebengesetzt hat. Verzeih‘ Lanz, aber das Brechen kriegt man selbst beim besten Walross nicht so hin, wie Du Dir das wünschst. Lanz hat weder gekocht noch war die servierte Speise gar und sowas ist unbekömmlich. Daher wird dank Lanz ganz anders gebrochen.

Aber es ist nicht Dein Fehler, sondern ein Problem der Struktur. Den bieder-behäbigen Familien-Samstagabend vor dem Fernseher gibt es heute nicht mehr. Omas und Opas schlafen um die Zeit schon valiumbeduselt im Heim. Die Eltern glotzen Dauernachrichten, schlafen ihren Rausch aus oder gehen in die Oper. Die Kinder posten währenddessen auf Facebook, dass sie gerade etwas bei Facebook posten. Da ist kein Platz für schüchtern lanziertes Product-placement, für ein unfreiwillig parodistisches Raab-Reloaded namens Lanz-Challenge oder gar für bodygepinselte Nackt-Düsseldorfer, die sich schamvoll bedecken, sobald die Kamera kommt.

Lanz ging zum Brunnen der gewissenhaft dreiteilergekleideten Unterhaltung bis er brach, heraus kamen wiedergekäute Telemomente einer längst vergangenen Welt. Hättet Ihr statt dessen den Gottschalk gekocht und Lanz von Bohlen fressen lassen, das hätte die Quote potenziert und alt und jung vor die – nomen est omen – Flachbildschirme geholt. Das ist es doch, was ihr eigentlich wollt. Wetten dass….?


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